Einführung in das internationale Erbrecht

Einführung in das internationale Erbrecht

Erbfälle mit internationalen Bezügen nehmen in meiner anwaltlichen und notariellen Praxis einen immer größeren Raum ein.

Dabei geht es nicht allein um die Erbfälle von EU-Bürgern. Ich befasse mich auch mit Fällen, in welchen ein Erblasser mit Staatsangehörigkeit eines Nicht-EU-Mitgliedsstaates mit Wohnsitz in der EU verstirbt.

In diesen Konstellationen stellt sich die Frage der Erbfolge als solche.

Und auch, wenn eine deutsche Erblasserin verstirbt und Vermögen im Ausland hinterlässt, handelt es sich aus deutscher Sicht um einen Erbfall mit Auslandsbezug.

In diesen Fällen sind häufig auch Fragen der Anerkennung eines ausländischen Erbnachweises in Deutschland und umgekehrt eines deutschen Erbnachweises im Ausland zu klären.

1. Internationale Zuständigkeit

Dem internationalen Privatrecht (IPR) kommt die Aufgabe zu, das auf den jeweiligen Sachverhalt anwendbare Recht zu bestimmen. Das IPR ist also Rechtsanwendungsrecht, es trifft die Auswahlentscheidung, es wird auch Kollisionsrecht genannt.

Jeder Staat hat sein eigenes Kollisionsrecht bzw. IPR. Jedes Gericht wendet also das nationale Kollisionsrecht bzw. IPR an. Dies kann auch bedeuten, dass das nationale Recht auf ein ausländisches Recht zurückverweist. Ein deutsches Gericht wendet die deutschen Kollisionsregelungen an, um die Frage des anwendbaren Rechts zu klären, ein spanisches Gericht wendet die spanischen Kollisionsregelungen an.

In vielen Fällen führte die Anwendung zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Folgende Fragen stellen sich bei internationalen Erbfällen:

-       Welches Recht ist auf den Erbfall anwendbar aus deutscher/ausländischer Sicht?

-       Wie kann die Erbfolge nachgewiesen werden?

-       Wird der inländische Nachweis im Ausland anerkannt; und umgekehrt?

-       Wirkt eine in Deutschland erklärte Erbausschlagung auch für im Ausland belegenes Vermögen?

-       Welche Auswirkungen hat das eheliche Güterrecht auf die Erbfolge?

-       Pflichtteilsansprüche – nach welchem Recht richten sich diese?

-       Nachlassregelung: Kann ich das anwendbare Recht wählen?

Grundlegend ist im IPR aller EU-Länder (mit Ausnahme Dänemarks, Irlands und des Vereinigten Königreichs) die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 (EU- Erbrechtsverordnung bzw. kurz: EuErbVO oder ErbVO).

2. EU- Erbrechtsverordnung

Diese Verordnung ist für Erbfälle ab dem 17.08.2015 anwendbar.

Der deutsche Gesetzgeber hat das deutsche Recht den Vorgaben der ErbVO angepasst, das deutsche Ausführungsgesetz (IntErbRVG - Internationales Erbrechtsverfahrensgesetz oder kurz: ErbÄndG) ist ebenfalls am 17.08.2017 in Kraft getreten, und die entsprechenden Regelungen im BGB und in verschiedenen anderen Gesetzen, wie z. B. in der Grundbuchordnung, im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) wurden angepasst.

Die EuErbVO hat das frühere deutsche IPR komplett verändert, es hat zu einem „Paradigmenwechsel“ geführt. Insbesondere knüpft die gesetzliche Erbfolge jetzt an den „gewöhnlichen Aufenthalt“ als Anknüpfungsgegenstand an, vorher war die Staatsangehörigkeit für die Erbfolge maßgeblich. Die EuErbVO hat darüber hinaus auch das europäische Nachlasszeugnisses (ENZ) als Legitimationsurkunde eingeführt.

Das deutsche IPR ist in Art. 25 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) geregelt und besteht nur noch aus einem Satz. Art. 25 EGBGB verweist auf die EuErbVO und stellt ansonsten nur noch einen Auffangtatbestand für die wenigen Fälle mit Auslandbezug dar, welche nicht vom Anwendungsbereich der EuErbVO erfasst werden. Zur Verdeutlichung: Lebt ein Deutscher, der mit einer Britin verheiratet ist, in London und verstirbt dort, ist aus deutscher Sicht die EuErbVO anzuwenden (also auch dann, wenn das Vereinigte Königreich nicht Mitgliedstaat der EuErbVO ist). Da sein gewöhnlicher Aufenthalt London war, ist britisches Erbrecht anzuwenden.

a. Anwendungsbereich der ErbVO

Die Verordnung ist gemäß Art. 1 Abs. 1 anwendbar auf die "Rechtsnachfolge von Todes wegen". Darunter ist jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge.

Negativ formuliert: Die ErbVO trifft keine Regelungen in Steuer- und Zollsachen, im Verwaltungsrecht, in anderen zivilrechtlichen Bereichen als dem Erbrecht, bei Vermögensübergängen durch Verfügungen unter Lebenden, im Sachenrecht, im ehelichen Güterrecht und auch nicht im Unterhaltsrecht.

Ebenfalls richten sich die Geschäftsfähigkeit und die Testierfähigkeit nach nationalem Recht.

b. Gewöhnlicher Aufenthalt 

Das anzuwendende Erbrecht ist jetzt grundsätzlich das Recht des Staates, in dem der Verstorbene im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 21 Abs. 1). Es wird eine "besonders enge und feste Beziehung zu dem betreffenden Staat" verlangt. Nochmals in aller Deutlichkeit: Der deutsche „Mallorca- Rentner“, der nur noch gelegentlich zu Besuch nach Deutschland reist, wird grundsätzlich nach spanischem Recht, d. h. hier nach mallorquinischem Recht, beerbt, wenn er kein Testament macht.

c. Rechtswahl möglich

Gemäß Art. 22 Abs. 1 ErbVO kann ein Erblasser das Recht jedes Staates als Erbstatut wählen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Er muss dieses Recht, genau genommen den Staat, konkret beschreiben.

Die Möglichkeit der Rechtswahl stellt eine Option dar, von welcher unbedingt Gebrauch gemacht werden sollte. Eine Rechtswahl schafft klare Verhältnisse.

Eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts muss zwingend erfolgen, sofern ein Erbvertrag aufgesetzt werden soll. Die meisten europäischen Rechtsordnungen verbieten Erbverträge.

d. Belegenheitsprinzip

Es gibt eine Ausnahme: Auf Immobilien findet das Recht des Staates Anwendung, in welchem die Immobilie belegen ist. Ist nach der ErbVO spanisches Recht auf den Erbfall anwendbar, liegt die Immobilie aber in Deutschland, so findet deutsches Recht Anwendung.

e. Europäisches Nachlasszeugnis

In der Konsequenz der einheitlichen Regelungen wurde auch ein Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) eingeführt, welches im gesamten Rechtsraum einen Gültigkeitsanspruch erhebt. In dem ENZ, welches als Formular in allen Unionssprachen im Internet verfügbar ist, wird die Erbenstellung, der Testamentsvollstrecker oder der Nachlassverwalter ausgewiesen.

Es besteht keine Verpflichtung dazu, dieses Nachlasszeugnis einzuholen. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass die Einholung sinnvoll ist, wenn es um einen Nachweis geht, der Nachlass aber in verschiedenen Staaten liegt, und die Erbenstellung oder die Berechtigung zur Nachlassverwaltung verschiedenen Stellen nachgewiesen werden muss.

Das Nachlasszeugnis begründet wie der deutsche Erbschein die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit.

3. Hinweis

Bei der Planung des Nachlasses ist seit dem Inkrafttreten der ErbVO die Anerkennung des Erbvertrages in der gesamten EU von besonderem Vorteil aus deutscher Sicht. Die Möglichkeit der Rechtswahl wird erläutert und führt in meiner Beratungspraxis in der überwiegenden Anzahl der Fälle zur Rechtswahl.

Auch aus rechtsanwaltlicher Sicht kann ich Sie, nicht nur aufgrund meiner Spezialisierung in deutsch-spanischen Erbangelegenheiten, aufklären, welches Erbrecht für die Beteiligten gilt und dieses Recht erläutern.

Ich stehe Ihnen gerne mit fachlichem Rat zur Seite.

Auf die Abklärung der tatsächlichen rechtlichen Ausgangslage folgt eine umfassende Beratung, welche je nach Ihrem Bedarf von mir in deutscher, spanischer oder englischer Sprache vorgenommen werden kann.